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Über
Höckelmann |
geboren
1937 in Oelde, Westfalen (D), gestorben 2000 in Köln |
Für
eine künstlerische Laufbahn entscheidet sich Antonius Höckelmann
bereits mit 15 Jahren, als er 1951 eine Ausbildung zum Holzbildhauer in
Oelde in der Werkstatt H. Lückenkötter beginnt, wo er bis 1957
ausgebildet wird. Danach geht er zu Karl Hartung an die Hochschule für
Bildende Künste in Berlin, einem führenden Vertreter der modernen
deutschen Plastik, der sich selbst als junger Künstler mit Maillol,
Brancusi und Moore auseinandergesetzt hat. |
ach
der Hochschule lässt sich Höckelmann als freier Künstler
in Berlin nieder, keine leichte Sache für einen Bildhauer. Zum Glück
erregen seine großen Bildhauerzeichnungen in Sammlerkreisen bereits
Aufmerksamkeit. Auf Packpapier entstehen riesige Fabelwesen, die das Überleben
des jungen Bildhauers im unfreundlichen Berliner Kunstklima ermöglichen. |
1970 bricht er schließlich
doch die Zelte ab und geht nach Köln, hält aber seiner langjährigen
Sammlerin und Berliner Galeristin Carsta Zellermayer in regelmäßigen
Ausstellungen bis zum Ende seines künstlerischen Schaffens die Treue.
Von Köln aus gelangen seine Holzreliefs und Skulpturen leichter in
die Welt. Sie entspringen nicht nur einer exotischen Welt, wie es Anschein
und Titel oft verheißen, sondern führen eine faszinierende bildhauerische
Tradition des 20. Jahrhunderts mit großer Treue fort. |
öckelmann
arbeitet mit traditionellen Materialien, mit Holz, Gaze, Leim und Farbe,
benutzt aber gleichberechtigt Styropor und Alufolie. Unter seinen Händen
entstehen eindrucksvolle Elementarformen, die ihre moderne Herkunft und
surrealistische Wesenhaftigkeit nie verleugnen. Seine Zeichnungen gehen
weit über Bildhauerzeichnungen hinaus, hier wird die Oberfläche
auf andere Weise und komplementär zu den Skulpturen, durch Schraffierung
belebt, durch unregelmäßige Furchen zugeschnitten. |
Antonius Höckelmann
vertrat in internationalen Ausstellungen als Bildhauer und Zeichner seit
langem regelmäßig seine Generation. |
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Zu
den Plastiken von Antonius Höckelmann
Karl-Egon
Vester |
ine
Möglichkeit, den plastischen Gebilden von Antonius Höckelmann
nahe zu kommen, liegt darin, dass man zuerst von verwendeten Materialien
und technischem Zustandekommen spricht; gewissermaßen vernünftig
zu erklären sucht, von welcher materiellen Machart die Gebilde sind,
um dann, mit solchem Wissen versorgt, vorsichtig in die künstlerische
Imagination einzudringen, ohne, wie zu fürchten ist, sogleich von
überwuchernder Phantasie aufgesogen und in das Labyrinth des Künstlers
verstrickt zu werden. Wie weit kann das Bewusstsein des Betrachters sich
mitbeteiligt fühlen am Entstehen solcher Gebilde? |
ngewöhnlich
ist der Grundstoff, aus dem Höckelmann seine Plastiken formt: Alufolien,
die, zusammengeknüllt, gezwirselt und gezogen, zu verblüffender
Festigkeit gelangen. Darüber sind stellenweise leimgetränkte
Gazestreifen gewunden und mit Wachskreiden gefärbt. Der Künstler
zwingt seine Materialien zu den ungewöhnlichsten Kriechbewegungen.
Befremdlich erscheinen uns zuerst solche Formen, die mitunter an einen
knorrigen Baum erinnern; die zum Volumen zusammengedrehte Alufolie zeigt
spiralförmige Aufwerfungen, die zu labyrinthischen Furchungen werden.
Und dann mag der Betrachter sich erinnern an das eigene Spiel mit herumliegender
Silberfolie einer Zigarettenschachtel: Entstehen aus den Ballen und Kugeln
dünner Folien nicht Miniaturplastiken, gerade so groß, wie sie
sich zwischen den Fingerkuppen formen lassen und weiter verwandelt und
entwickelt werden, wenn wieder ein Stückchen Folie um bestehende Verdickungen
gedreht wird? So gesehen sind die Plastiken von Antonius Höckelmann
„riesige Miniaturen“. Wie unter dem Vergrößerungsglas entsteht
eine völlig neue Welt mit unbekannten Formen und noch nie zuvor gesehenen
Bildern. Das Große kommt aus dem Kleinen, ist von allen Verpflichtungen
der Dimensionen befreit; diese Befreiung ist charakteristisches Merkmal
der Phantasietätigkeit. Als wäre der Betrachter in eine Miniatur
eingetreten, beginnen die Bilder zu wimmeln, zu wachsen und zu entweichen,
faunenhafte Masken - Bilder stellen sich ein, koboldartige Kopfwesen lassen
physiognomische Wiedererkennbarkeit pulsieren. Die Illusion eines Bewegungsablaufes,
das spiralförmig sich fortschraubende Eindringen verengt den Blick;
durch die Katzenpupillen gesehen, was wird aus der Außenwelt? Verändert
sich die Natur der Welt? Oder triumphiert ihre wahre Natur jetzt über
den Augenschein? |
aßstab
spielt bei Plastiken von Antonius Höckelmann eine wesentliche Rolle:
Als Objekte treten sie dem Betrachter in eher kleinen Dimensionen gegenüber,
wollen weniger körperliches Gegenüber sein als vielmehr sich
hier malerische Visionen dreidimensional Gestalt geben. So ist das sich
Hineinsehen, das Suchen nach dem Innern solcher Plastiken ein verzweigter
Weg der Anschauung. Sie zeichnet sich durch ein ständiges Umkehren
der Perspektive aus, eine Umkehrung, die mehr oder weniger flüchtiger,
mehr oder weniger einschneidender von der Imaginationsfähigkeit des
Betrachters abhängt. Sich an die großen Papierzeichnungen von
Höckelmann zu erinnern liegt nahe, wo wunderlich verschnörkelt
das ganze Blatt von fiebriger Lust überzogen ist und Derb – Komisches
sich mit Närrisch – Seltsamem in übermütiger Weise zu einem
paradoxen Phantasiespiel zusammenfügt. Die Wachskreiden und Tuschespuren
überziehen wie in den Papierarbeiten nun die Gebilde aus Alufolien
und schaffen der künstlerischen Phantasie plastischen Raum. Kennzeichnend
dabei ist, wie sich Maßvolles ins Dämonische wendet, die Form
ins Formlose umschlägt und die Phantasie bindungslos erscheint, wenn
sie über das Mögliche hinauszuweisen vorgibt. Bei solch exzessiven
Bildern können wir sicher sein, uns im Drehpunkt einer autonomen Einbildungskraft
zu befinden. |
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Für
Antonius
Wolfgang
Kahlcke |
iese
erste Publikation aus dem Nachlaß von Antonius Höckelmann, der
vor einem Jahr - am 17. Juni 2000 - dreiundsechzigjährig in Köln
starb, kann kein umfassender Überblick sein. Das vorliegende Material
ist deswegen auch nicht chronologisch angelegt. Und doch gibt es von frühesten
bis spätesten Arbeiten - es sind auch für Kenner ausgesprochene
Überraschungen darunter - einen Umriß des Kontinents, den man
betritt, wenn man sich mit den Zeichnungen und Skulpturen von Antonius
Höckelmann beschäftigt.
"Kontinent" ist wahrscheinlich
ein zu oberflächlicher, geographischer Begriff, man sollte eher von
einem Universum sprechen; mindestens aber handelt es sich bei der Welt,
die Antonius Höckelmann in seinen Zeichnungen vor Augen führt,
auch um die Regionen unter der Oberfläche und jenseits des irdischen
Horizonts. Dort werden Mähren zu Chimären, treten Schlangen und
böse Vögel und andere bedrohliche Lebewesen zusammen mit Menschen
auf, teuflische und auch engelsgleiche Frauen - also doch auch die Oberwelt!
Der Himmel des Eros!
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o
aber bleiben die Götter? Hatte Antonius Höckelmann einen Pakt
nur mit dem Fürsten der Unterwelt geschlossen - naiv wie Peter Schlemihl
oder wissend um den Wahnsinn eines solchen Bundes wie Hoffmann - hat er
nicht teuflisch gut gezeichnet? - oder doch auch göttlich?
Den Göttern hat Antonius
Höckelmann sich eher handwerklich genähert; den italienischen
Künstlern des Manierismus, Leonardo, Degas, Bresdin? Andere werden
erst mit der Zeit enttarnt werden. |
eine
Angst! Das hier vorliegende Material beginnt irdischer, eher zu ebener
Erde als im ersten Stock: Merkwürdig und überraschend, auch wenn
man in den zurückliegenden Jahren viel von Antonius Höckelmann
gesehen hat, sind die am Anfang dieser Auswahl stehenden, bisher nie veröffentlichten
frühen Arbeiten aus der Zeit an der Berliner Hochschule für Bildende
Künste, als Antonius Höckelmann bei dem Bildhauer Karl Hartung
studierte (1957-1961). Sie erscheinen dem flüchtigen Blick wie "nach
Karl Hartung".
Hartung gehörte in der
Zeit zusammen mit Hans Uhlmann und Bernhard Heiliger zu dem geschätzten
Dreigestirn der Berliner Bildhauerschule der Nachkriegszeit; Höckelmann
hat sich mit ihm den schwierigsten und strengsten herausgesucht. Hartung
war in der Frage der strengen, auf das Wesentliche verknappten Form, unerbittlich
gegen sich selbst und seine Schüler. Er entwickelte für sich
eine knochenharte, exemplarische, von allem überflüssigen Beiwerk
befreite, in sich gekehrte Skulptur im Stil der Moderne der 40 Jahre von
Arp, Moore und Laurens.
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öckelmanns
Zeichnungen reflektieren mit hoher Perfektion die Skulpturensprache seines
Meisters und stellen sie zugleich auf den Boden der Fleischlichkeit zurück.
Sie sind in hohem Maße erotisch und aggressiv. Der Geselle hat seinen
Lehrmeister überwunden.
Am Ende des Studiums bei
Karl Hartung für das Jahr 1961, verzeichnet die Biographie von Antonius
Höckelmann einen viermonatigen Studienaufenthalt in Neapel. Hier müssen
sich, nach der Befreiung vom Meister zur eigenen Meisterschaft, die neuen
italienischen Verwandten eingestellt haben. Die Zeichnungen aus dieser
Zeit und in Folge sind frei in der Erfindung, kraft- und phantasievoll,
welthaltig, wunderbar sinnlich und sie nehmen die eigene Richtung auf -
auch die des Bildhauers Antonius Höckelmann. Höckelmann will
es mit den Großen der Kunstgeschichte aufnehmen und will zugleich
die Modernen der Jahre um 1960 erneuern. (In diesem Vorhaben trifft er
sich in den sechziger Jahren mit Georg Baselitz und Eugen Schoenebeck in
Berlin).
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Nicht
mit dem Teufel, mit den Göttern der Kunst hat er seinen Pakt geschlossen.
Ihnen, der Kunst, hat er seine Seele verschrieben und er hat seitdem wie
um sein Leben gezeichnet, in allen Lebenslagen, an allen möglichen
und unmöglichen Orten, in allen ordentlichen und undenkbaren Techniken,
in allen weltlichen, trivialen, erbarmungswürdigen, über- und
unterirdischen Themen, bis die Götter "genug" gesagt haben.
Die ganze Fülle seines
Werks ist auch im Nachlaß noch präsent. Dafür hat schon
seine - inzwischen gleichfalls verstorbene - Frau Hille Höckelmann-Eilers
gesorgt. Die Geschichte dieses Nachlasses könnte nun beginnen... sie
könnte umfangreich und voller Überraschungen sein.
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go
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