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50 Jahre Galeristenarbeit, Leben und Engagement: Ein ganzes Jahr lang will Carsta
Zellermayer dieses Jubiläum mit Arbeiten Ihrer Künstler feiern und beginnt mit einer
ungewöhnlich persönlichen Ausstellung von Fotografien, Künstlerbriefen, Kritiken und
Erinnerungsstücken.
Ein nostalgischer Kurztrip in die Vergangenheit, aber auch ein historisch, gesellschaftspolitisch
und künstlerisch aktueller Rundgang durch 50 Jahre Kunst in Berlin.
1975: Die Passanten recken die Hälse, als Carsta Zellermayer im Garten ihres
Bungalows in der Thielallee großformatige Bilder von Hochschulkünstlern zwischen die
Bäume stellt und an die Außenwände ihres Hauses hängt.
Fluxuskünstler Wolf Vostell zeigt in ihrer allerersten Ausstellung seinen Goya-Zyklus
"La Quinta del Sordo".
In einem seiner Happenings werden für jeden neugeborenen
Berliner Bäumchen gepflanzt und Eier verteilt.
Mittendrin der "Betonstuhl", mit dem Vostell gegen den Westberlin-Mief der ummauerten
Stadt protestiert. Und das in Dahlem!
Wenig später tanzt hinter den Wohnzimmerfenstern ein nacktes Modell zu Jazzklängen, ihre
Bewegungen werden von der Beuys- Schülerin Barbara Heinisch auf Leinwänden
festgehalten.
Im Garten gießt Erwin Wurm seine ersten Betonskulpturen, und auf der Terrasse essen die
späteren "Wilden" Pflaumenkuchen.
Von Anselm Kiefer, zeigt sie seine erste Berliner Einzelausstellung.
Die Momentaufnahmen dieser Tage wirken leicht und flirrend.
Doch wer zu dieser Zeit in Berlin Kunst macht, wird auch zwangsläufig politisch.
Carsta Zellermayer zeigt und unterstützt DAAD-Stipendiaten des damaligen
Ostblocks, z.B. den tschechischen Collage-Künstler und politischen Aktivisten Jiri
Kolár, der im Westen bleibt - damit der ungarische Konzeptkünstler György
Jovánovics zu seinen Ausstellungen in den Westen reisen darf, geht die Galeristin
weit ins persönliche Risiko und sichert dem ungarischen Staat eine beträchtliche
jährliche Verkaufsgarantie zu.
Anfang der 80er der Umbruch, die Rückbesinnung auf die gegenständliche Malerei,
ein Hunger auf große Bilder, Farbe, Körperlichkeit. Künstler inszenieren sich als
Renaissance-Menschen. Carsta Zellermayer stellt Antonius Höckelmann und
Thomas Lange aus.
1984 eröffnet sie ihre Galerieräume in der Ludwigkirchstraße mit den monolithischen Figuren
von Dieter Hacker. Zur Eröffnung erscheint Frankreichs Kulturminister Jack Lang.
Die Galerie hat Berlins Aufmerksamkeit - und wartet mit einer Überraschung auf: Mit der
Ausstellung "East Village Art" weht der raue Wind der Lower East Side von New York nach
Berlin und zeigt eine Lebensrealität, die der sich entwickelnden Berliner Frontstadtmentalität
durchaus ähnelt. Zum ersten Mal sind in Berlin Keith Haring, Dan Asher und "Shadowman"
Richard Hambleton zu sehen.
Das Jahr 1986 ruft Carsta Zellermayer zum "Skulpturenjahr" mit Ausstellungen z.B. von
Heinz Kleine-Klopries , Erwin Wurm und Thomas Böhmer aus.
1991 Umzug der Galerie in die Ludwigkirch- Ecke Uhlandstraße. Aus den großen
Fenstern blicken die riesigen Köpfe der alliierten Soldaten des Fotografen Frank
Thiel auf die Passanten. Martin Zeller dokumentiert die gigantischen Baustellen für
die neue, alte Hauptstadt des wiedervereinigten Deutschlands. Hans Pieler taucht
ein in die Technoszene der neuen Mitte. Ihre Fotografien halten die großen
Umbrüche des neuen Jahrzehntes fest, einer Zeit, die die Galeristenszene Berlins
dazu zwingt, gesellschaftspolitisch Farbe zu bekennen. Carsta Zellermayer engagiert
sich im Landesverband der Berliner Galerien und positioniert sich auch international
als Galeristin der Avantgarde.
Avantgarde, das sind nicht nur die jungen, zeitgenössischen Künstler, die im immer
härter werdenden Kunstbetrieb ihren Platz finden und dabei begleitet werden
müssen. Seit jeher sind auch die russische Avantgarde, das Bauhaus, die klassische
Moderne Lieblingsthemen von Carsta Zellermayer. 2011 präsentiert sie mit "Schüler
der Klasse Paul Klee" einen wahren Schatz an Kunstwerken, u.a. von Eugen Batz,
Hubert Berke und der einzigen Meisterschülerin Paul Klees, Petra Petitpierre, viele
von ihnen geborgen aus Archiven und Nachlässen. Es folgt "Die Donnerstag-Gesellschaft",
die die Weiterentwicklung einiger der Künstler nach 1945 aufzeigt.
Carsta Zellermayer pflegt diese Künstler ebenso wie ihre jungen Schützlinge. Sie
zeigt den beinahe in Vergessenheit geratenen, vor den Nazis geflohenen Victor Stahl
ebenso neue Namen wie Charles Simmonds und Felix von der Aue. Sie setzt
Künstler in Zusammenhang, wie 2025 in ihrer Ausstellung "Made in Germany" den
Malerphilosophen Ryo Kato und den großen Meister Bernard Schultze. Und sie
verbindet Generationen.
Die nun präsentierte Ausstellung unternimmt nicht den Versuch, das große
galeristische Werk, das Carsta Zellermayer in 50 Jahren aufgebaut hat, in eine
lückenlose Retrospektive zu pressen. Eine Retrospektive verharrt in der
Vergangenheit. Carsta Zellermayer aber stand immer schon mit einem Fuß in der
Zukunft - und so ist auch jener wunderbare Spaziergang durch 50 Jahre Kunst in
Berlin, den diese Ausstellung bietet, einfach ein weiterer Schritt vorwärts. Weitere
Aktionen und Ausstellungen im Jubiläumsjahr werden folgen.