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 DAS GEGENTEIL VON STILLE

 Joseph Faßbender und seine Kunst

 Maxi Sickert

1903, das neue Jahrhundert hat gerade begonnen. Eric Satie führt in Paris Drei Stücke in Form einer Birne für Klavier auf, die Oper A Guest of Honor des afroamerikanischen Ragtime-Komponisten Scott Joplin wird in East St. Louis uraufgeführt, Wagners Oper Parsifal wird unautorisiert in New York gezeigt (Cosima Wagner ist so verärgert, dass die beteiligten Sänger und Musiker danach nie wieder in Bayreuth auftreten dürfen) und in Deutschland gründen Lovis Corinth, Max Klinger, Max Liebermann und weitere Künstler in Weimar den Deutschen Künstlerbund, der bis zu seinem Verbot 1936 durch die Nationalsozialisten in zwanzig Ausstellungen das Spektrum aktueller deutscher Kunst zeigt. Aufschwung und Durchbruch der Moderne in Deutschland sind eng an die Geschichte des Deutschen Künstlerbundes geknüpft, der 1905 in Florenz die Villa Romana erwirbt, um hier junge Maler durch Arbeitsstipendien zu fördern. Unter den Preisträgern des Villa-Romana-Preises sind Max Beckmann, Käthe Kollwitz, Ernst Barlach und 1929 der junge Kölner Maler Joseph Faßbender.

Joseph Faßbender wird am 14. April 1903 als zweites von vier Kindern des Bäckermeisters Caspar Faßbender und seiner Frau Elisabeth in Köln-Nippes geboren. Er ist gut in der Schule, überspringt eine Klasse, doch der Vater lässt ihn vor seinem Abschluss abgehen, um eine Bäckerlehre zu machen. Er steht fünfzehn Stunden täglich in der Bäckerei und versucht, die freie Zeit zum Zeichnen zu nutzen.

1926 beginnt Faßbender 23-jährig ein Studium an den Kölner Werkschulen in der Klasse von Professor Richard Seewald für Malerei, Wandmalerei, graphische Techniken und Illustration. Weitere Lehrer sind Friedrich Ahlers-Hestermann, Johann Thorn-Prikker für Mosaik-, Glas- und Wandmalerei, der Schriftsetzer Jacob Erbar und der Graphiker Heinrich Hussmann, ehemals Schüler von Fernand Léger. Zentral ist der Werkbundgedanke, die Suche nach einer neuen Formgebung, bedingt durch Zweck, Material und Konstruktion.

Als Richard Riemerschmid, Direktor der Kölner Werkschulen, erfährt, dass Faßbender keine Unterstützung erhält, zahlt er aus Überzeugung von dessen Talent das Schulgeld selbst, pro Trimester 75 Mark. Nach Abschluss seines Studiums bezieht Faßbender 1928 ein Atelier in der Rankestraße in Köln. Das Wallraf-Richartz-Museum kauft eines seiner Bilder für 500 Mark an und am 18. Mai 1929 wird ihm auf Initiative Seewalds der Villa-Romana-Preis des Deutschen Künstlerbundes für sein Bild "Rote Anker" verliehen, verbunden mit einem einjährigen Arbeitsstipendium in der Villa Romana in Florenz.

Das Bild "Rote Anker" malt Faßbender 1928 in Öl auf Leinwand im Format 87x102 cm. Bäume und Büsche biegen sich vor wolkengrauem Himmel im Wind, ein einsamer Zaun und eine sich entfernende Brücke, daneben Kriegsüberbleibsel aus dem ersten Weltkrieg. Der Ort wirkt verlassen. Zwei rote Anker liegen im Sand, ruhend, wie Grabmale. Ihr Rot hält den Blick fest in diesem Wind. Es ist ein expressionistisches Bild, das an Kirchner erinnert, wie auch Faßbenders Bild "Altstadt Köln" von 1934: Der Blick aus dem Fenster, Menschen in dunklen Mänteln, sich aufbäumendes Grün.

 FLORENZ

Am 29. Juni heiratet Faßbender seine Frau Anna und einen Tag später reisen beide nach Florenz. Im Jahresbericht der Villa Romana von 1963 berichtet Faßbender, wie schwer dieses Jahr war. Sie haben kaum Geld, bei ihrer Ankunft gibt es keine Möbel und die Kachelöfen funktionieren nicht. Die Villa selbst ist noch belegt, daher wohnen sie zuerst in der Portierswohnung unter dem Dach. Faßbender: "Die Stadt war uns bald so geläufig wie unser Köln. Wir lebten in äußerster Sparsamkeit. Nicht selten kam es vor, dass wir mit dem Patentmittel Bohnensuppe billige Wochen machten, weil Malutensilien teuer waren. Der Credito Italiano sagte uns auch bald, dass es mit der Barschaft übel aussähe. Was war da zu tun? Bilder verkaufen? Es kaufte niemand Bilder. Es kaufte keiner Zeichnungen. Es kaufte keiner nichts. (…) Das Atelier war im Februar kalt. Die ockrigen Kachelöfen tatens nicht. Misere. Wenn die Hände blau waren, vergrub ich mich ins Bett und wenn sie wieder Farbe hatten malte ich weiter in meinem Terrazzobodenatelier. Es war so gar nicht der Wohnstil eines Villenbewohners."

Er hat in dieser Zeit einen Schädel voller Malkummer , denn es fehlt das Geld für Malutensilien, niemand will die Bilder kaufen. Und er schreibt rückblickend: Vielleicht war ich doch noch zu jung? Seewald hatte mir gescheite Verhaltungsweisen mit auf den Weg gegeben. Eigensinnig wie ich war, vergaß ich sie zeitweilig. Er ist oft im Park Boboli, am Fluss Ema oder besucht den Monte Morello und notiert: "Mit meiner Malerei ging es nur schwer. Überall drängte sich die Landschaft auf". Bereits im April 1930 kehren die Faßbenders zurück nach Köln. Durch die Wirtschaftskrise und die damit verbundene Stagnation in Kunsthandel und Ausstellungswesen, wird die finanzielle Situation noch bedrückender.

Nach seiner Rückkehr verschafft Seewald ihm ein Freiatelier im Amalienschlößchen, das er jedoch wegen der Nationalsozialisten bereits im Folgejahr wieder räumen muss. Faßbender schreibt 1932: "Herr Hitler brüllt aus dem Bierhaus des Messegeländes sein braunes Zeug". Daraufhin mietet er eine Atelierwohnung in der Seyengasse in Köln.

Im gleichen Jahr lernt Faßbender den Dichter Eugen Gottlob Winkler kennen, der 1936 aus politischen Gründen Selbstmord begeht, Winkler widmet ihm seinen Essay "Über die Erkundung der Linie". In Faßbenders Kunst zeigt sich jetzt eine zunehmende Reduktion der Mittel, wie in der Monotypie "Bildnis Anna Faßbenders" von 1932, über das Eugen Gottlob Winkler 1934 in seinem Tagebuch notiert: "die einfache Bezwingung solch großer Flächen, die große Gestaltung unter solch sparsamem graphischen Aufwand".

Hann Trier erinnert sich an das Atelier in der Seyengasse an einem Abend mit den Freunden des "Faßbender Kreises" am 3. Dezember 1938: In der Atelierhalle, deren eine Längswand ein etwa 1,20 m hohes Bücherregal einnahm, übervoll beladen mit alten Einbänden und Abbildungswerken. Aus den Schubladen daneben quollen hunderte Photographien, die Faßbender aus diesem oder jenem Grund aufbewahrte. (…) Mitunter fand jemand eine Aufnahme gut, ohne zu begründen, was daran gut war. (…) Im Urteil nahm der Begriff "präzise" einen hohen Rang ein, worunter der Photograph vielleicht eine gute Belichtung, ein anderer den Ausschnitt, Faßbender jedoch den Ablauf von Schwarz-, Weiß-, und Grauwerten verstand. (…) Durch das gegenüberliegende Fenster blickte man auf die Fassade der Rhenus-Schifffahrtsgesellschaft, auf die wir nachts manchmal, um Passanten aufzuregen, Totengerippe und anderes unheimliches Zeug mit einem Epidiaskop projiziert hatten, das an diesem Abend weggeräumt wie die Staffelei in der Ecke stand.

Im Atelier in der Seyengasse bildet sich ein Künstlerkreis. Noch werden Witze über Hitler und die Nationalsozialisten gemacht, etwa mit einem doppelbelichteten Foto, das die Freunde mit Hitlerbärtchen zeigt. Die Künstler glauben tatsächlich, sich von der Politik abkapseln zu können und sehen die Kunst als Ort der Immunität. 1935 werden Faßbenders graphische Arbeiten im Kupferstichkabinett des Wallraf-Richartz-Museums ausgestellt. Die Papierarbeiten, die er 1936 zur Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes nach Hamburg einsendet, kommen nicht zurück. Moderne Kunst gilt als entartet und als Kulturdokument des Bolschewismus und der jüdischen Zersetzungsarbeit.

Am 6. Juni 1937 werden zahlreiche Werke der modernen Abteilung des Wallraf-Richartz-Museums beschlagnahmt, darunter Pablo Picasso, Juan Gris, Paul Gaugin, Vincent Van Gogh, Ernst Ludwig Kirchner, Oskar Kokoschka und Otto Dix, auf Erlass des Propaganda-Ministers Joseph Goebbels beschlagnahmt und im Juli 1937 als Sinnbilder des Kulturverfalls in der Ausstellung Entartete Kunst ausgestellt. Auf dem Faltblatt für die Ausstellung, die für Jugendliche verboten war, stand: Gequälte Leinwand, Seelische Verwesung, Krankhafte Phantasten, Geisteskranke, Nichtskönner. (Katalog "Widerstand und Verfolgung in Köln 1933-1945")

Um seinen Lebensunterhalt zu verdienen, übernimmt Faßbender in den 30er Jahren gebrauchsgraphische Aufträge, darunter für die Medizinische Fakultät der Kölner Universität, wo er anatomische Darstellungen und Krankheitsbilder zeichnet. Er notiert 1958: Ich hätte es nicht geglaubt, aber auch daraus ergaben sich Anregungen zum künstlerischen Schaffen.

1941-1946

Während des Krieges verliert Faßbender durch Brand (1941) und durch Wassereinbruch im Keller des Ateliers Seyengasse (1942) sämtliche Arbeiten, seine Bibliothek und einen Teil der Ateliereinrichtung.

Hann Trier schreibt dazu: "Bald nach Kriegsausbruch wurde ich durch Einberufung von Faßbender getrennt. Dann trat das Unvorstellbare ein und er, der notorische Zivilist, wurde ebenfalls Soldat. Er sollte französische Kriegsgefangene bewachen. Da er mit ihnen fraternisierte, nutzten einige sein Vertrauen zur Flucht. Mit knapper Not entging er dem Kriegsgericht. (…) Danach geriet er in britische Kriegsgefangenschaft, während ich in Pommern eingesetzt war. Erst im Frühjahr 1946 trafen wir uns wieder in Bornheim bei Bonn. (…) Dort und in Alfter begann dann bald die Donnerstag-Gesellschaft zu wirken".

Faßbender wird am 12. Juni 1941 von der Wehrmacht eingezogen und als Landesschütze im Ruhrgebiet stationiert. 1943 kommt er als Soldat nach Frankreich und liest den 1942 von Albert Camus geschriebenen philosophischen Essay "Le Mythe de Sisyphe" über die Bedeutung des Absurden. Für Camus befindet sich der Mensch in einer absurden Situation. Das Absurde besteht in dem Spannungsverhältnis zwischen der Sinnwidrigkeit der Welt einerseits und der Sehnsucht des Menschen nach einem Sinn bzw. sinnvollem Handeln. Nach Camus gibt es drei aufeinander folgende Stufen des Umgangs mit der Absurdität: ihre Erkenntnis, ihre Annahme und schließlich die Revolte. Nur in der Revolte gegen das Absurde kann der absurde Mensch zur Freiheit finden. Darin gleicht er der mythologischen Figur des Sisyphos, und dessen beständiger Sinnlosigkeit seines Tuns. Camus: Darin besteht die verborgene Freude des Sisyphos. Sein Schicksal gehört ihm, sein Fels ist seine Sache. Und weiter: Der absurde Mensch sagt ja, und seine Anstrengung hört nicht mehr auf. (…) Der Kampf gegen Gipfel vermag ein Menschenherz auszufüllen. Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen.

Faßbender ist so fasziniert von dem Text, dass er ihn noch im Jahr 1944 seinem Freund Hann Trier zusendet. Es entstehen Arbeiten, die er "Sisyphos" und "Der Stein" betitelt.

Im November 1944 kommt Faßbender in englische Kriegsgefangenschaft. Es wird festgestellt, dass seine Augenlinse auf der rechten Seite getrübt ist, aber er wird nicht operiert. Als sein rechtes Auge erblindet, wird er 1946 krankheitsbedingt repatriiert und kommt nach Bornheim, wo Anna Faßbender bereits 1944 untergekommen ist. Wohnung und Atelier in Köln sind ausgebombt.

Die unterbrochene Moderne

Das A-Werk ist eine Wortschöpfung Faßbenders aus seiner Alfterer Zeit, die er als sein Bomben-Asyl empfand, und steht dementsprechend für Alfter, Asyl, sowie eventuell auch exemplarisch für Anfang und Neubeginn. Bei ihren Treffen diskutieren die Künstler neben Kunst auch über Literatur und Philosophie. In seinem Tagebuch verzeichnet Eduard Trier 1948: Im Vorgebirge waren die französischen Existentialisten im Gespräch, dazu auch Heideggers "Sein und Zeit". Heidegger und Ortega y Gasset wurden im philosophischen Arbeitskreis von Meunier diskutiert. Faßbender und Trier nahmen oft daran teil. Da es keine Transportmittel gibt, müssen sie sich von Bornheim zu Fuß auf den Weg machen. In seinen, im Besitz Eduard Triers gefundenen, Tagebuchaufzeichnungen schrieb Schnitzler: Von Faßbenders Wohnung bis zum Alfterer Schloß waren es eine Stunde Fußweg. Als die Donnerstag-Gesellschaft als Verein gegründet werden soll, stehen Faßbender und die übrigen Künstler dieser Idee anfangs skeptisch gegenüber, doch da es sich bei den anderen Donnerstagsköpfen, wie er sagt, auch um gebrannte Kinder handelt, nimmt er ebenfalls teil und notiert: Alfter war nun Piratensitz.

Am Tag der Abstrakten Kunst am 20. Juli 1947 hält Faßbender vor Eröffnung der Ausstellung einen Einführungsvortrag. Der 1947 bereits 43-jährige Faßbender spricht dabei von der darstellenden Kraft des Künstlers, die immer bemüht sei, die Methoden der Gegensätze sichtbar zu machen, die introvertierte Welt des eigenen Ichs und die extravertierte der Außenwelt. Vor allem die Erforschung der Innenwelt sei seiner Zeit und der abstrakten Malerei vorbehalten. Er weist darauf hin, dass die gezeigten Bilder mehr Gesehenes in sich haben, als es zunächst scheint. Nur hat die Kraft des aktiven Auges das Gesehene in neue Zusammenhänge gebracht. (…) Die einmal vollendete Arbeit ist darum nicht sie selbst allein, sondern auch Träger eines formalen oder farbigen Prinzips, das in sich wieder die Geburt einer Kette neuer Arbeiten bringt. Dabei war es nicht notwendig, dass die Vorstellung des Betrachters mit einem Bildtitel oder der eigenen Vorstellung übereinstimmt.

Für die Aufführung "Die Fliegen" am 15. Februar 1948 erstellt Faßbender gemeinsam mit Hann Trier und Hubert Berke 60 Glasradierungen, die mit einem Epidiaskop auf die Wand hinter den Schauspielern projiziert werden. Hann Trier erinnert sich in einem Interview von 1989: Die kleinen Glasplatten hatten das Dia-Format von 8,1 x 10 cm, in den mit Ruß oder Tusche geschwärzten Grund wurden die Motive mit Nadeln eingekratzt. Häufigstes Motiv waren Fliegen, die als Erinnyen den Fluch des Orest symbolisieren. Zwischendurch wurde ein großer Hitlerkopf eingeblendet, in dessen rechtem Auge Stalin zu sehen war.


Zu der szenischen Lesung, die an diesem Tag zweimal gezeigt wird, bieten Faßbender, Berke und Trier eine Mappe mit Holzschnitten in einer Zweihunderter-Auflage an. Eine wichtige Arbeit aus diesem Jahr ist die Monotypie "Elektras Tanz". Die dämonische Figur der Elektra ist in geometrische Formen aufgelöst. Die Währungsreform im gleichen Jahr führt zur Auflösung der Donnerstag-Gesellschaft und Rückwanderung in die Städte.


1946-1949


In Faßbenders Arbeiten kommt es zu einer zunehmenden Auflösung und Dekonstruktion der Figuren. Mit der zunehmenden Abstraktion wird das zeichnerische Gerüst mit der Geometrisierung der Bildfläche zur wesentlichen Bildkomponente. Die Formen sind dabei bewegt und gewunden, ein amorphes, blättriges Wuchern. 1947 veröffentlicht Willi Baumeister "Das Unbekannte in der Kunst". Baumeister, der als Wegbereiter der abstrakten Malerei gilt, richtet sich in seinem Buch an die zeitgenössischen Künstler und fordert sie auf, neue Sehzonen zu entdecken und diese anderen sichtbar zu machen.


Faßbender, Trier und Berke stellen 1948 in der Galerie Ruhstrat in Hamburg aus, in der Braunschweiger Galerie Otto Ralfs gemeinsam mit Eugen Batz. Faßbender war 1948 der Neuen Rheinischen Sezession beigetreten und hätte sich 1949 gerne in Bonn niedergelassen, doch sein Freund Dr. Walter Holzhausen, der seit 1947 die Städtischen Kunstsammlungen leitete, bemüht sich vergeblich um ein Freiatelier. Von den konservativen städtischen Gremien wird die Förderung zeitgenössischer, vor allem abstrakter Kunst noch immer gebremst. Die finanzielle Situation ist schwierig. Faßbender hält sich durch Auftragsarbeiten angewandter Kunst über Wasser, seine Frau Anna arbeitet in einem Bekleidungsgeschäft. Aus Chicago erhalten sie von der mit Schnitzlers befreundeten Familie Regnery "Care-Pakete" und feines Zeichenpapier und bis 1950 werden sie vom "Museum for objective Painting" aus New York mit Geld und Lebensmittelpaketen unterstützt. Hilla von Rebay hatte 1939 das Museum Non objective Painting eröffnet, aus dem 1952 das Solomon R. Guggenheim-Museum hervorging.


In München konstituiert sich 1949 die Künstlergruppe ZEN 49 durch Willi Baumeister, Rolf Cavael, Gerhard Fietz, Rupprecht Geiger, Willi Hempel, Fritz Winter und die Bildhauerin Brigitte Meier-Denninghoff. 1951 wird die Gruppe über Süddeutschland hinaus erweitert und Cavael und Winter schlagen Berke, Faßbender und Trier als neue Mitglieder vor. Cavael und Hartung hatten Trier bereits 1948 in Bornheim besucht, in Köln lernen Trier und Faßbender Willi Baumeister im Weinhaus Denant kennen, in dem seit 1949 unter dem Vorsitz des Bildhauers Ewald Mataré ein Künstlerstammtisch tagte.


In der 1945 gegründeten "Galerie Der Spiegel" hat Faßbender 1951 seine erste Einzelausstellung, die in kurzer Zeit ausverkauft ist. Dazu kommt die Verleihung des Darmstädter Karl Ströher Preises und Faßbender sitzt in der Jury des Deutschen Künstlerbundes, der sich 1950 unter Karl Hofer wieder zusammengefunden hatte. Die Ausstellungen des DK zählten bis 1955 zu den wichtigsten Übersichtsausstellungen gegenstandsloser und abstrakter Kunst. Im Sommer 1954 hat Faßbender eine weitere Einzelausstellung in der Galerie Der Spiegel.


Auf einem Foto Ende der fünfziger Jahre sieht man Joseph Faßbender in seinem Atelier in der Maternusstraße mit dem Hund Fifi , der in seinen Zeichnungen immer wieder zu erkennen ist. Faßbender sitzt auf einem geflochtenen Hocker, er trägt einen schwarzer Rollkragenpullover. Auf der breiten Tischplatte liegt das Material in geometrischer Ordnung, wie seine Zeichnungen selbst: Die Pinsel in Vasen, daneben die Spachtel aufgereiht, die Farbbecher angeordnet. Flaschen mit Lösungsmitteln, der Größe nach gestellt, übereinander liegende Papierarbeiten, rechts von ihm Schere, Klebeband, Aquarellstifte und Zeichendreiecke und Klebeband, links eine Staffelei.


Faßbender in seinem Vortrag über das Zeichnen 1967: "Nehmen wir den Stift. Trennen die Fläche in Teile, immer und immer wieder, zerstören sie mit waagerechten und senkrechten Zügen, setzen darauf krumme oder gebogene Linien, finden auf diese Weise den Fond, zu einem Träger größerer oder kleinerer Zeichen, brechen sie auf mit Punkten, mit Flecken, folgen dem Eidetischen an den Stellen, wo es sich entzündet. Niemand weiß bei anfänglichem Bemühen, wohin der Weg führt, bis zu dem Punkt, wo er sich verdichtet und anfängt Befehle auszusenden, wo die graphische Tat nicht nur einem Unterbewussten folgt, wo die Gestalt beginnt".



Faßbender lehnt moderne Kunst (Beuys, Vostell) ab. Er steht der Kunst der 60er Jahre wenig optimistisch gegenüber, sieht Beuys als Provokation, nicht als Künstler und verweigert sich der Inanspruchnahme der Kunst für politischen und gesellschaftlichen Ausdruck. Bei seiner Antrittsvorlesung in der Düsseldorfer Akademie nennt er Klee den letzten Zauberer des Hauses . Er wehrt sich gegen die neue Kunst, der er das handwerkliche Können abspricht. Bereits 1959 gibt es nach der Eröffnung der documenta II die Kritik, das Informel sei auf dem Nullpunkt angelangt und habe sich in seiner unverbindlichen Subjektivität erschöpft . Noch immer ist Faßbender dem traditionellen Kunstbegriff verhaftet, der sich in Auseinandersetzung mit der Kunstgeschichte bildet, bei Faßbender sind es vor allem Themen der Antike, die er mythisch und metaphorisch bearbeitet. Er erklärt, der Künstler solle sich mit den Formen und der Welt als kosmischem Gebilde beschäftigen und nicht mit der Gesellschaft, in der er lebt oder persönlichen Problemen. In seinen Reflexionen schreibt er 1960: Aus echter Neuformung gehen größere Reihungen hervor, die die Kraft des Dargestellten erhöhen und es erweitern.


Faßbender über seine Papierarbeiten (Vortrag über das Zeichnen 1967): "Das Stupfen eines borstigen Pinsels und Beimengen einiger Tropfen einer alkoholischen Harzlösung, wie etwa von Terpentin in die Tusche, so dass diese auf dem Papier gerinnt und es partiell rußartig, fleckig färbt. (…) Der Unglanz von Tuschen, wenn auf dem Papier sich verselbstständigende Chinatuschen, verdünnte oder dichte, Schwarz begreifen lassen, als seien sie Spezialmeere und man selbst der Calamayo in ihnen".


Für Darius Milhauds Ballet "L´homme e son désir" entwirft er 1960 das Bühnenbild, eine monumentale Faßbenderische Zeichnung in einem Geflecht aus Linien, Winkeln und Kreisstrukturen in bewegten Formen.


Ab 1961 entstehen mit runden Bildformen die Serien der Assiettes, Tellerbilder. In dieser Zeit leben die Faßbenders in der Maternusstraße in Köln-Südstadt, 1962 folgt der Umzug in die Schnurgasse. Der Maler Albrecht Fabri hatte siebzehn Tellern bestimmte Lebewesen zugeordnet, Menschen und Tiere. Und Faßbender notiert: Übrig blieb ein entsprechendes Rund, in dem das Schwarze und das Weiße sich herumtrieb, sehr anderen Gesetzen folgend als der scheinbaren Stimulans. Später kommt noch die Doppel-Assiettes dazu. Faßbender schreibt dazu, mit dem Verlust der Mitte gehe auch die Harmonie des selbstzufriedenen Kreises verloren. 1964 werden seine Arbeiten im Deutschen Pavillon der 32. Biennale von Venedig gezeigt. Der große Preis der Biennale geht an Robert Rauschenberg und Faßbender schreibt verärgert an die Fürstin Cecilie von Salm-Reifferscheidt, mit der er seit Alfter befreundet ist: Kunstblech verrostet, der elektrofizierten Malerei droht der Kurzschluss.


Aus dem SPIEGEL am 1. Juli 1964 über die Biennale in Venedig: Der Staatspräsident kam, entgegen der Ankündigung, nicht zur Eröffnung. Der Patriarch von Venedig warnte die Gläubigen vor dem Besuch der Ausstellung und verbot sie für den Klerus. (…) Die deutsche Delegation blickte erbittert auf die unverändert im Stil der Reichskanzlei gehaltenen Säulen ihres Pavillons. Die Preisrichter-Jury schied nach tagelangem Streit unversöhnt, und italienische Maler formulierten einen Protest gegen die "unzulässige Verurteilung der italienischen Malerei von heute".


Professor Dr. Eduard Trier vom Kulturkreis im Bundesverband der Deutschen Industrie,(…) für den deutschen Pavillon verantwortlich, entschied sich sogar, nur zwei - rheinische - Landsleute vorzustellen: "Meine Entscheidung ist eine subjektive Entscheidung". Sie fiel zugunsten des Kölner Malers Joseph Faßbender, der aus den Schattierungen zwischen Schwarz und Weiß ornamental fließende Formen bildet, und des Düsseldorfer Plastikers Norbert Kricke, und dessen aus Metallstangen gebündelte Bauplastiken. Krickes aus Glasröhren und fließendem Wasser gebildete "Wälder", die unter dem hitzigen Adriahimmel zweifellos größere Anziehungskraft auf das Publikum ausgeübt hätten, ließen sich aus technischen Gründen nicht aufstellen: Der deutsche Pavillon hat weder eine Wasserleitung noch einen Stromanschluß. So blieb der solide deutsche Beitrag wenig attraktiv, ohne dass deswegen die Repräsentation der anderen Staaten wesentlich glücklicher ausgefallen wäre.


Ab 1964 entstehen Ölbilder nach der Vorlage früherer Zeichnungen. Charakteristisch sind absichtliche Leerräume und unbehandelte weiße Flächen. Faßbender nennt es das Belassen einer Räumlichkeit, (…) so dass sie der Grund ist, auf dem Graphisches, Gezeichnetes sich beträgt. (Vortrag über das Zeichnen 1967). Im gleichen Jahr schreibt er in einem Briefwechsel an Hans Schwippert, den ehemaligen Direktor der Düsseldorfer Kunstakademie: Ich habe versucht, über die Chromatik nachzudenken und fand, dass Kandinsky so wenig recht hatte wie Nay.


Augenwege


Die Zeichnung ist formbildender Erreger aller Erkenntnisse und Handlungen. Der Pinsel ist des Stiftes weicherer Bruder, das aus Effekt geborene Gegenteil der Stille. (Vortrag über das Zeichnen 1967)


Als Faßbender 1968 in den Ruhestand geht, vermisst er den Austausch mit den Studenten an der Akademie. Er fühlt sich zurückgeworfen in die eigene Gedankenfabrik. Auch die Sehkraft wird immer schwächer und er entschließt sich zu einer Operation. Nach dem geglückten Eingriff schreibt er an seinen Freund Heinrich Böll: Das rechte "Fenster" hat man nach circa 30 Jahren wieder geöffnet, ich sehe wieder daraus, ein mirakolo in vero.


Heinrich Böll schreibt für Faßbender ein Gedicht, das dessen Liebe zur Antike und zu seiner Geburtsstadt Köln beschreibt:


Köln I


Wer an Kanälen lauscht/ kann sie hören/ in Labyrinthen - unter der Stadt/ über Geröll, Scherben Gebein/ stolpert die Madonna/ hinter Venus her/ sie zu bekehren - vergebens/ vergebens ihr Sohn hinter Dionys/ vergebens Gereon hinter Caesar/ Hohnlachen/ wer an Kanälen lauscht/ kann es hören/ Der dunklen Mutter/ durch Geschichte - nicht gebessert/ steht Schmutz - gut zu Gesicht/ in Labyrinthen - unter der Stadt/ verkuppelt sie die Madonna/ an Dionys/ versöhnt den Sohn mit Venus/ zwingt Gereon und Caesar/ zur großen Koalition/ sich selbst verkuppelt sie/ an alle die gute Münze sind.


Zu seinen Formen, den Rechtecken, Kreisen und Ovalen, kommt jetzt das Quadrat. In einem Brief an die Fürstin Cecile von Salm-Reifferscheidt schreibt er: Nun ist bei mir die Liebe ins Quadrat aufgekommen, die in nächster Zeit meine Formate bestimmen könnte. Er verbringt mit seiner Frau Anna viel Zeit bei der Fürstin auf Schloß Dyck und es entsteht ab 1972 die Serie Hortus Dyckensis. Am 14. April 1973 organisiert die Fürstin ein großes Fest zum 70. Geburtstag Faßbenders. Seine Dankesrede spannt den Bogen seiner Zeit in der Donnerstag-Gesellschaft bis zu den von ihm bitter kritisierten aktuellen Kunstpositionen:


der künstler ist nicht anwesend/ non e presente/ podarsi in azione/ hat sich in poplöffeln und kaugummi verheddert/ in amistrips/ im neorealismus/ in plexiski und kongonägeln/ macht in drähten/ monumenten letzter einsamkeit/ in irritationes/ atempause.


Faßbender als Lehrer


Faßbender unterrichtet 1953 für zwei Semester an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg, wird 1955 als Leiter der graphischen Abteilung der Werkkunstschule Krefeld berufen und 1958 zum Professor an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf. Dort sieht er sich als Widerstandskämpfer gegen die Pseudomoralität der übrigen lehrenden Künstler. Auch Beuys lehrt an der Kunstakademie in Düsseldorf. Faßbender führt das Aktzeichnen wieder ein, als Schulung des Sehens in diesen Pop-Tagen.


Der Kunsthistorikerin Anna Klapheck, die von 1952 bis 1964 an der Düsseldorfer Akademie lehrte, sagte er: die Zeichnung ist für mich immer das Primäre gewesen. Erst ab 1957 kommt wieder Öl auf Leinwand dazu. Mit dem ersten Auftrag für einen Wandteppich 1954, entsteht die Lust zur Erschließung auch großer Formate, die Wirkung eines Bildes auf den Raum.


Ein Foto zeigt Faßbender in seinem Atelier an der Kunstakademie Düsseldorf: Er sitzt auf einem Stuhl, mit schwarzem Pullover und Halstuch, die Haare zurückgekämmt, hinter ihm auf der Stuhllehne der gestreifte Malerkittel. Er hat viel Platz, mehrere Staffeleien in verschiedenen Größen stehen im Raum, Leinwände, eine mit Kreide bemalte Schultafel, Zeichnungen an der Wand. Dazu diverse Tische, Pinsel in Gefäßen, Farbtuben, Papier, Flaschen mit Lösungsmitteln, Lappen, Zeichenmappen, Klebeband, Radiergummis, Teetassen, Aschenbecher.


Friedrich Gräsel, Schüler in Hamburg 1953, erinnert sich an Faßbenders Gastdozentur: Vor ihm kamen mit Georg Meistermann, Ernst Wilhelm Nay, Trier und Hann Trier bereits Leitfiguren der deutschen Kunstszene, die Auswahl kam durch Werner Haftmann. Faßbender hat Faßbender gelehrt und zwar senkrechte und waagerechte Konstruktionen auf der Fläche und - im Gegensatz zu Nay - die Wahl zwischen Farbe und Nicht-Farbe. (…) Er hatte die persönliche Neigung, zwischen Grün und Rosa über Grau zu komponieren. (…) Den Winkel als Bewegung auf der Fläche. Und durch Verdichtungen kam er nah an das Bauhaus und ermöglichte individuelle Räumlichkeiten. (…) Er war der erste Gastdozent, der ein Modell herbeischaffte. Um Farbräusche zu vermeiden, verwies er auf die Grisaille-Malerei und die Uccelloschen Fresken und empfahl, Caput Mortuum: Wir malten von Rot nach Grün und kamen zum Grau. Faßbender vermerkte zufrieden, seine Schüler seien der "Vernayung entkommen (…), ohne zu fassbendern.


In der Zeit, in der er nicht mehr gut sehen konnte, hat er mit der Lupe gearbeitet. Er hat akribisch kleine Zeichnungen gemacht und hat sie uns erklärt. (…) Und er zeigte uns kalligraphische Entdeckungen, die unsere Phantasie und unser Formenrepertoire bereicherten.


Claudia von Velsen, Schülerin Faßbenders an der Werkkunstschule in Krefeld und Vorstandsmitglied des Kölnischen Kunstvereins: Sein Unterricht war "Türen-Öffnen im Kopf". (…) Fassbender brachte uns bei, die Dinge von hinten oder von der Seite zu betrachten. (…) "Trinkt mal ganz viel Schnaps miteinander, es gibt da einen Weg." Das war als Lehre phänomenal. (…) Er schickte uns auch nach Hause, wenn eine Arbeit besonders gut gelungen war. Einmal sagte er zu mir: "Kind, gut gemacht, geh nach Hause". Ich dachte, ich hätte etwas falsch gemacht aber er sagte: "Nee, das ist so gut, auch das muss man lernen, wenn man etwas Gutes gemacht hat, dann muss man aufhören". (…) Wir lasen mit verteilen Rollen Jean Paul, Montaigne, E.T.A. Hoffmann und tranken dazu Rotwein. (…) Heute sehe ich ihn mit seiner flächigen, dicht verwobenen Malweise durchaus im Umfeld der frühen fünfziger Jahre und sehe den frühen Nay, Meistermann und Faßbender an ähnlichen Fragen arbeiten. Er hat sich malerisch nicht gelöst, sondern diese extreme Verdichtung und Schichtung in seinen Papierarbeiten weiter verfolgt.



Heinrich Gillis Görtz, Schüler an der Kunstakademie Düsseldorf 1962-1967: Nach Faßbender war allen "sträubenden Mitteln" zu misstrauen, mit Kohle zu arbeiten hätte er uns nie gestattet. Bevorzugt wurde der Stift, der eine scharfe Grenze zeichnet. Obwohl er dann auch diesen Automatismus zuließ, der sich als Klassenstil ausgebildet hatte, nämlich dass die Hand auf dem Papier bleibt, in einem ganz leicht bewegten Rhythmus. Man sieht auf das Modell und arbeitet. Man sieht nicht auf die Zeichnung und kontrolliert sich selbst nur von der Bewegung und der Größe her. (…) In den zeichnerischen Übungen bevorzugte Faßbender die Entscheidung zur Linie, zur Kontur. (Studenteninterviews aus: Joseph Faßbender. Akademie-Galerie- Die neue Sammlung, Düsseldorf 2010)


Faßbender 1903 in Köln geboren - stirbt am 5. Januar 1974 in Köln. Die Grabrede hält Hann Trier. 1990 stiftet seine Frau den Joseph-und-Anna-Faßbender-Preis, der jährlich als Stipendium für Graphik und Handzeichnung über die Stadt Brühl vergeben wird.


Dank an Barbara Piert-Borgers und Walter Borgers für den herzlichen Empfang in der Atelierwohnung Faßbenders in der Schnurgasse, für die abgebildeten Papierarbeiten aus dem Nachlass des Künstlers die fachkundigen Erzählungen, sowie an die Autoren und Kunsthistoriker, die zu Faßbender geforscht haben. Vor allem Alice Trier-Franzen, Wulf Herzogenrath, ehemals Kölnischen Kunstverein, sowie Maria Engels Leiterin der Einrichtung Kunst aus NRW.

Text aus dem Buch „DONNERSTAG-GESELLSCHAFT 1947-1950“
Publiziert 2010 von der ZELLERMAYER Galerie Berlin, Herausgeber Carsta Zellermayer


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