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 MIRA,  Victor Werke Messen Texte 1 Texte 2 Katalog      
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 Victor Mira " Mein Gefängnis - Meine Leidenschaft"

Ergriffene Künstler, so dachte ich, hat es schon genug gegeben. Ich wollte der stumme und eiskalte Künstlersein, der das Leben und diese Natur voller dunklem und lästigen Ungestüm tötet, dieses Ungestüm, das mich drängend nach meiner Malweise fragen ließ; atmen vor jedem Pinselstrich oder danach? Oder vielleicht den Atem anhalten während meine Hände etwa so... taten? Oder atmen und nur atmen?

Irgendwas wollte ich tun, wenn es nur nicht zwei Sachen gleichzeitig waren, denn ich wollte radikal sein und extrem kalt und meine Pinselstriche sollten aus reinem, brennenden Eis sein, wie göttliche Offenbarungen. Keine Leinwände voll Leidenschaft wollte ich füllen, die, kaum entlassen, in allen Sprachen schreien.

Zuviel Stimmen ertönen, zuviel der Dinge, die wieder und wieder gesagt sind und ich ersehne Ruhe und vor allem, einen Raum frei von Kultur. Ich möchte in meinem Haus malen, wo die Farbe langsam trocknet und ich mir die Zeit zum Denken nehmen kann. Denn wenn ich langsam denke, während ich male als läge ich im Bett, gelingt mir alles, errate ich was hier und dort geschieht. Wenn ich weit entfernt bin, verloren und verwirrt umherirre wie ein armer moderner Mensch, bemittleide ich mich. Man erfährt viel mehr von den Dingen, wenn man sie täglich sieht und nicht nur einmal im Vorübergehen.

Es spielt keine Rolle, daß viele oder alle denken, daß ich irre: dieses sind meine Gefühle.Zwei oder drei sind es, nicht mehr, denen ich treu bleibe; wenn die verfluchten Anfechtungen mich bedrängen, weigere ich mich auch nur einen Schritt aus dieser Krankheit zu tun, die mich Tag und Nacht vor der Mühe der Kunst bewahrt, die mich in der Krise hält, bewußt ihr entgegen tretend, die Gesundheit klar im Auge.

Zu Hause, wenn ich meiner Arbeit nachgehe, träume ich nicht von Reisen, noch denke ich daran dorthin gehen zu müssen, wohin man mir zu gehen befielt. Zu Hause, wenn ich meiner Arbeit nachgehe und auf das Außergewöhnliche stoße, verlasse ich mich ganz auf mich selbst bei allem was die Kunst betrifft und für den Rest höre ich auf Gott, denn Gott ist viel, doch nicht immer ist er Kunst.

An dies denke ich und sonst an nichts. Dies sind meine Gedanken und zugleich mein mühseliges Warten, welches Kunst bedeutet. Ich möchte nicht weit gehen, obwohl ich weiss, das viele, die Besten, weit gehen mußten, um ihr Haus zu finden und ich denke an sie, die Besten, die weit gehen mußten, um den Schlüssel zu ihrer Werkstattt zu finden, den kranken Schlüssel zu ihrer Arbeit.

Ich werde niemandem die Tür öffnen, das Grab in dem ich vergehe gehört mir allein. Nichts kann mein Inneres verbessern, ändern was mir eigen ist und vor allem - auch zu meinem Leidwesen - mir gehört. Ich wünsche nicht verändert zu werden, sondern nur ich selbst zu sein, schmerzlich dazu, wie es den Dingen eigen ist schmerzlich sie selbst zu sein, so wie es mir eigen ist, grübelnd meiner Eltern zu gedenken, wenn sie das Schlimmste verkörpern was Eltern sein können.

So lange ich noch ans Elternhaus gefesselt lebte, fragte ich mich, wie weit ich gehen müßte um diese Ketten zu zerreißen; ich betrachtete das Bett, den Lehnstuhl, die Küche, all diese menschlichen Geschäftigkeiten und fand doch um mich herum nichts, was mich wirklich ergriffen hätte, mir das Gefühl gegeben hätte Bruder zu sein.

Ich bin über die Erde geirrt, suchen und wütend, ich war auch aufrichtig als ich meine drei oder vier Schritte tat, um über meine Nasenspitze hinweg zu sehen. Doch bald bemerkte ich mit Freude, daß der geringe Raum, den meine Füße einnahmen, mir mehr als ausreichte, sogar überreichlich war. Genau der Fleck Erde, den meine Füße bedeckten und ein Stück Himmel. Weitergehen, um mehr zu suchen, kam mir vor wie zweimal essen, nur weil das Essen reichlich ist, oder zwei Nächte schlafend zu einer zu vereinigen, weil die Zeit es erlaubt. Lieber still sein, denn nur so, mich in Ruhe während, hatte ich die Geduld, die heilige Geduld, die jede Verzweiflung bedarf, um besänftigt zu werden.

Ich mißtraue jeder Art von Dringlichkeit, all diese Arbeit, die eilig von einem Tag zum anderen gemacht werden muß. Aber ich liebe den schnellen Schlag meines Herzens, wenn ich in der tatsächlichen Ruhe meines Hauses arbeite, angetrieben von dem Besten in mir.

Wenn ich in dieser zärtlichen Gesinnung arbeite, empfinde ich mein eignes Leben wie etwas Weites, das sich, ohne eine Bedeutung zu haben, Tag um Tag verlängert.

Und das gleiche Meer brandet an die gleichen Felsen, und das gefällt mir. Und der gleiche Fliß umfließt Tag und Nacht den Pilar*, und das gefällt mir. Und ich muß das gleiche sehn, ein um's andere Mal. Im Antlitz meiner Mutter erkenne ich das meine, und jeden Morgen beim Erwachen erblicke ich meine Frau mit ihrem Antlitz, und das meiner Mutter wieder das meine, und meine Tochter mit ihrem Antlitz und mit allen Gesichtern.Und jeder Tag sei wie der andere und nichts Neues geschehe, denn alles ist neu in diesem Nichts, in dieser himmlischen und arbeitsreichen Monotonie, die sich ein um's andere Mal wiederholt. Jeden Tag das gleiche. Und diese Gleichheit erzeugt sieben Tage und das ist alles was es gibt.

München 1989

aus dem Katalog der Zellermayer Galerie Berlin

*Pilar:
Virgin del Pilar in Saragossa, vom Ebro umflossen.


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