Als die junge Kunstsammlerin Carsta Zellermayer im November 1975 ihre Galerie in ihrem
Haus in Dahlem mit einer Ausstellung von Wolf Vostell eröffnete, war dies eine Sensation.
Unkonventionell standen die Kunstwerke zwischen den Büschen im Garten oder hingen an
den Außenwänden des Hauses. Bei Regen und in der Nacht wurden sie in die Garage geschoben.
Der Bildhauer Rudolf Valenta baute seine Holzskulpturen im Garten auf und Vostell seinen
Betonstuhl. Der steht jetzt in der Berlinischen Galerie. "Beton stand bei Vostell für die
Berliner Mauer und die Einkesselung", so Zellermayer.
Es war die Zeit von Fluxus und Happening.
In einer Fluxus-Aktion von Vostell wurden, bei jeder Nachricht eines neugeborenen Kindes aus
den Berliner Kliniken an diesem Tag, Eier in der Nachbarschaft verteilt und ein Baum im Garten
in Dahlem gepflanzt.
Möbel wurden zur Seite geräumt, um Fluxus-Videoskulpturen zu präsentieren, auf der Terrasse stand
Vostells Rosinenbomber. Der Künstler Erwin Wurm goss Betonskulpturen im Garten, die noch immer dort stehen.
1979 zeigte sie Arbeiten von Anselm Kiefer in seiner ersten Einzelausstellung in Berlin.
Die Ausstellungen waren schon oft am Abend der Eröffnung ausverkauft. Heinz Ohff, Kunstkritiker
und Feuilletonchef des Berliner Tagesspiegel, kam zu jeder Ausstellung und schrieb darüber.
Auch in der Abendschau wurde berichtet. "Eines Tages stand der Galerist Springer vor der Tür",
erinnert sie sich, "er wolle mal sehen, was die junge Galeristin da macht".
Die Bäume sind heute, 50 Jahre später, zu mächtigen Baumriesen im Garten gewachsen ....
Geboren in Iserlohn, lebte sie in Paris und New York, bis sie 1968 durch Heirat nach Berlin kam.
Auch hier sammelte sie weiter Kunst. Nach der großen Vostell-Retrospektive in der Berliner Nationalgalerie,
lernte sie Vostell kennen, der sie ermutigte, mit ihrem Wissen und ihrer Leidenschaft für die Kunst,
eine eigene Galerie zur eröffnen.
Um auch junge Kunst und Absolventen sowie Absolventinnen der Hochschule der Künste zu fördern, stellte
sie gerne DAAD-Stipendiaten aus, darunter waren u. a. Rudolf Valenta, György Jovánovics und Jiri Kolár
Eine Absolventin der Hochschue der Künste war die Beuys-Schülerin Barbara Heinisch. Diese tackerte die
Leinwände für ihre Performance direkt auf die Wand des Wohnzimmers. Dahinter bewegte sich eine nackte Frau
zu Free Jazz, während Heinisch die Bewegungen mit einem groben Pinsel nachzeichnete. Am Schluss schnitt und
riss das Modell die Leinwand auf und kam hinaus, farbverschmiert wie nach einer Geburt.
"Die DAAD-Stipendiaten aus den damaligen Ostblockländern mussten nach Beendigung ihres Stipendiums sofort
wieder zurück. Einige sind im Westen geblieben, wie Kolár in Paris, daraufhin wurden in seinem Land seine
Besitztümer konfisziert", so Carsta Zellermayer.
Sie habe der Ungarischen Regierung eine Verkaufsgarantie abgeben müssen, damit Jovánovics zu weiteren Ausstellungen
ausreisen durfte. "Jedes Jahr 10.000 DM Devisen".
Kontakt zur Kunstszene in Ostberlin gab es nicht. "Die durften offiziell gar nichts rausbringen. Es gab keinen Kulturaustausch."
Westberlin hatte einen Inselstatus. Sie habe sich Künstler ausgesucht, die mutige politische Statements gemacht haben.
"Dahinter habe ich gestanden", erklärt sie.
Nach der ersten Phase in ihrem Privathaus in Dahlem, kam als zweite Phase eine Galerie in der Berliner Innenstadt mit ersten
Messebeteiligungen wie der Art Cologne und Art Basel.
Carsta Zellermayer eröffnete die neuen Räume 1984 mit dem Berliner Künstler Dieter Hacker, es folgten Ausstellungen mit den
Bildhauern Erwin Wurm und Antonius Höckelmann. Bahnbrechend war im gleichen Jahr ihre Ausstellung "East Village Art" mit
New Yorker Street-Art-Künstlern, darunter Richard Hambleton, Dan Asher und Keith Haring.
Sie organisierte im September 2001 den ersten Berliner Galerienrundgang - mit "Kunstgenuss und Gaumenfreuden", rund um den
Kurfürstendamm - mit 11 teilnehmenden Galeristen, und engagierte sich kulturpolitisch im Vorstand des Landesverbandes Berliner Galerien.
Die dritte Phase war 1990 der Umzug in ihre jetzigen Galerieräume in der Ludwigkirchstraße. Prägend waren dort Ausstellungen mit
großen Skulpturen von Frank Dornseif, Neuentdeckungen und Erstausstellungen wie mit Michel Majerus sowie großformatige Fotografien
von Frank Thiel und Martin Zeller mit seinen Langzeitbelichtungen von Potsdamer Platz. Arbeiten von Ivan Chuikov und Eduard Gorochowskij
sowie von den informellen Künstlern Bernard Schultze und Hann Trier. Sie zeigte auch Arbeiten der Bauhäuslerin und Kleemeisterschülerin
Petra Petitpierre und den Schülern der letzten Klasse von Paul Klee an der Kunstakademie Düsseldorf.
"Nach der konzeptuellen Kunst der 70er gab es die Rückkehr zur Malerei, zum Tafelbild, zur Skulptur", erinnert sie sich.
Die Berliner Ausstellung "Bildwechsel" in der Akademie der Künste 1981 markierte den Umbruch mit den jungen Wilden, mit z. B. Kippenberger,
Oehlen, Salome und Fetting. Die Wilde Malerei begann in Deutschland, gleichzeitig in Frankreich mit Jean-Charles Blais, in Italien mit Chia,
Clemente, Cucchi. Auch in Österreich mit Damisch und Anzinger. Viel später sei dann in England die Brit Art gekommen.
"Die jungen Wilden aus Europa haben den internationalen Markt aufgemischt. Erst danach kam man auf die "Väter", wie Baselitz und Hödicke",
so Zellermayer. "In den 1980er Jahren gab es eine Euphorie in Berlin, da boomte die Kunst. Es war ein Umbruch, ein Hunger nach Bildern.
Es gab wieder Farbe", schwärmt die Galeristin.
Beinahe zu jeder Ausstellung gab es von Beginn an Katalogpublikationen. Zuerst noch selbst gedruckt und zusammengeklebt,
ab den 1980er Jahren aufwändiger. Auch die Einladungen wurden am Anfang noch handgeschrieben und dann fotokopiert.
Einschneidend sei für sie der 3kg schwere Katalog zu den Klee-Schülern gewesen. "Das war eine Tat", sagt sie, kunsthistorisch und finanziell.
Aus diesen Arbeiten hätten sich dann viele Themen- und Dialogausstellungen sowie Gegenüberstellungen mit ihren Künstlern und Künstlerinnen ergeben.
Welche Ausstellung rückblickend für sie die Wichtigste war, sei schwer zu sagen, "weil ich fast in jede Ausstellung verliebt war".
Außerdem sei die Kunst noch nicht auserzählt. "Da habe ich noch jede Menge Ideen".
50 Jahre Galerie Zellermayer - Jubiläumsausstellung mit Archivmaterial, Kritiken, Briefen, Fotografien und Kunst von 1975 - 2025.